An die Anfänge im Soester Club in dieser, im Gegensatz zum Sprint und Sprung oftmals unterrepräsentierten, Leichtathletikdisziplin erinnert sich Ralf Reinhard noch ganz genau. Es sei im Herbst 2014 gewesen, als er seiner Sportlerin Annika Straub zum ersten Mal einen Wurfhammer in die Hand gedrückt habe. Nach einigen Trainingswürfen stand diese bereits zwei Tage später in Iserlohn im Ring und schleuderte den Hammer bei ihrem Debütwettkampf über 18 Meter weit. Was vom LAZ-Trainer ursprünglich als eine kleine Bereicherung des Trainings gedacht war, wurde für die damals 15-Jährige, die zuvor u. a. im Stabhochsprung völlig andere Bewegungsabläufe gewohnt war, schnell zu einer Art Lieblingsbeschäftigung.
Für Reinhard war daher schnell klar: „Annika hat mir gesagt, dass ihr diese Art des Wegwerfens Spaß mache. Also musste ich mich damit beschäftigen“. Unter der Regie des Autodidakten, denn auch der Trainer bewegte sich zu dem Zeitpunkt auf einem für ihn völlig neuen Terrain - hatte sich die junge Soesterin ein Jahr später bei der weiblichen Jugend U18 schon auf 26 Meter gesteigert. Gemeinsam mit ihrer Vereinskameradin Antonia Böttiger, die ebenfalls die Liebe zum Hammerwurf entdeckt hatte, wuchsen Jahr für Jahr die Leistungen und Erfolge. Allein drei Mal konnte sich Annika für Deutsche Meisterschaften qualifizieren und holte bis heute drei Mal Gold und zahlreiche Medaillenplatzierungen bei NRW- und Westfalenmeisterschaften. 2019 wurde sie Dritte beim Deutschen Hammerwurfcup der Juniorinnen. Seit 2020 ist die Masterstudentin (Reha- und Gesundheitsmanagement) der Universität Köln ununterbrochen die Nummer eins Westfalens. Antonia feierte ihren größten Erfolg 2020 mit dem Gewinn der Westfalenmeisterschaft in der Altersklasse U18 und belegte einige Medaillenränge bei NRW- und Westfalenmeisterschaften. 2018 gewann sie zudem Silber beim NRW-Cup in der Altersklasse U16. Zurzeit macht die 19-Jährige in Düsseldorf eine Ausbildung zur Diätassistentin.
Viele Jahre musste sich die Wurfgruppe um Trainer Ralf Reinhard mit sehr einfachen und auch nicht ganz ungefährlichen Trainingsbedingungen abfinden. Geworfen wurde aus einem Kugelstoßring ohne Sicherheitsnetz im äußersten Winkel der Sportanlage am Schulzentrum. Dabei mussten alle Beteiligten mit besonderer Vorsicht zu Werke gehen, um Unfälle zu vermeiden.
Diese Situation änderte sich erst 2019, als mit tatkräftiger materieller und finanzieller Unterstützung der Firmen Kuchenmeister und Lehde sowie der Soester Stadtverwaltung ein moderner Hammerwurfkäfig errichtet werden konnte, der mit seinen Ausmaßen – das Sicherheitsnetz ist im Abwurfbereich bis zu 10 Meter hoch – sogar internationalen Ansprüchen genügt. Die offizielle Einweihung der Anlage erfolgte am 12. Oktober 2019. Unter den Gästen und Zuschauern befanden sich an diesem Tag auch die Mütter von Annika Straub und Antonia Böttiger.
Mehrere Jahre schon hatten sie die Aktivitäten ihrer Töchter wohlwollend, aber eher aus der Ferne beobachtet. Jetzt nahmen Sandra Straub und Margareta Böttiger den Wurfhammer auch einmal selbst in die Hand und nach einigen Probewürfen war auch für sie schnell klar: Das wollen wir auch häufiger und regelmäßiger machen.
Seitdem sind die beiden Frauen aus der Soester Trainingsgruppe nicht mehr wegzudenken. Im Gegenteil entpuppten sie sich schnell in Sachen Fleiß und Eifer zu Vorbildern. Kaum eine Einheit wurde verpasst und stets akribisch an der Technik gefeilt. Selbst in der schwierigen Corona-Phase, als die Wurfanlage im Schulzentrum nicht genutzt werden durfte und je nach ständig wechselnden Verordnungen nur in Zweier- oder Dreiergruppen zusammen geübt werden durfte, ging das Training weiter. Coach Reinhard war erfinderisch und bat seine Sportlerinnen zum Werfen in die Bördelandschaft. Dank der Unterstützung eines befreundeten Landwirtes landeten die Wurfhämmer jetzt auf einem ungenutzten Ackerboden. Es sei eine abenteuerliche Zeit gewesen, erinnern sich die beiden Frauen. Sie berichten von Wurfhämmern, die man im Winter zum Teil mühsam im Schnee suchen oder auch mal aus einem Obstbaum herausholen musste.
Der Spaß an der Disziplin Hammerwurf aber blieb und mit ihm wuchsen nach und nach auch die Leistungen und erste Erfolge stellten sich ein. Nachdem Sandra 2021 die Qualifikation zur Deutschen Seniorenmeisterschaft noch um einen einzigen Zentimeter verpasst hatte, war sie ein Jahr später sowohl bei der Winterwurf-DM in Erfurt als auch bei den Sommertitelkämpfen in Erding dabei. Beide Male konnte sie mit der Bronzemedaille in der Altersklasse W45 dekoriert die Heimreise antreten. Die DM-Norm für die diesjährigen Titelkämpfe hat die frühere Leistungsschwimmerin und mehrfache Deutsche Jugendmeisterin über 50 und 100 Meter Schmetterling schon fest im Blick. Im Winter war Straub lange krank und konnte u.a. beim Winterwurfmeeting des LAZ im Januar nicht teilnehmen.
Diesen Wettkampf am 8. Januar nutzte ihre Trainingspartnerin Margareta, um sich erstmals für die nationalen Meisterschaften, die im Sommer in Mönchengladbach stattfinden, zu qualifizieren. „Margareta wirft mehr über die Schnelligkeit. Da kommt ihr der Drei-Kilo-Hammer sehr entgegen“, hat Ralf Reinhard den entscheidenden Grund für die Leistungssteigerung ausgemacht. Böttiger ist mit Jahresbeginn in die Altersklasse W50 aufgerückt und muss jetzt mit einem um ein Kilo leichteren Gerät werfen. hab
Quelle: Soester Anzeiger