Gina, für manchen Beobachter wäre alles andere als eine Medaille schon eine Enttäuschung. Wie groß ist der Druck jetzt bei der EM in Schweden?
Gina Lückenkemper: Druck mache ich mir da selber jetzt nicht. Ich freue mich einfach wahnsinnig, wieder 200 Meter laufen zu können. Das letzte 200-Meter-Rennen war Ende Juni in Mannheim und das ist echt gut für mich gelaufen. Und jetzt freue ich mich einfach auf Schweden. Was andere Leute da von mir erwarten, ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal.
Bisher läuft die Saison richtig gut, Du hast dich fast mit jedem Wettkampf gesteigert. Kann das überhaupt so weitergehen?
Lückenkemper: Ich denke schon, dass das nochmal ein bisschen schneller gehen kann. Ich habe mir schon vorgenommen, in Eskilstuna zum ersten Mal über die 200 Meter unter 23 Sekunden zu laufen, da war ich in Mannheim mit den 23,04 Sekunden ja schon relativ nah dran.
Warum soll das jetzt ausgerechnet in Schweden klappen?
Lückenkemper: Weil ich das will. Und wenn ich etwas will, dann kämpfe ich dafür auch bis zum bitteren Ende. Und dadurch, dass da gute Konkurrenz ist, werde ich gefordert. Das spornt natürlich auch nochmal an.
Du hast jetzt zwei Wochen Wettkampfpause gehabt. Wie hast Du dich da auf die EM vorbereitet?
Lückenkemper: Ich war mit den Staffelmädels eine Woche zum Trainingslager in Hannover. Da ging es einmal natürlich um das Staffeltraining, dann aber auch ums Teambuilding. Wir waren einmal zum Beispiel Drachenbootfahren. Unterm Strich war das wirklich eine gute Woche und wir haben viele gute Trainingseinheiten absolviert.
Ihr fahrt mit 89 Jugendlichen zur EM, alle etwa im gleichen Alter. Wie viel Klassenfahrt-Charakter hat da so eine Meisterschaft?
Lückenkemper: Das bleibt bei der Nationalmannschaft nie aus. Wobei es mehr eine Stufenfahrt ist, für eine Klassenfahrt sind wir mittlerweile einfach schon zu viele. Es ist halt immer wieder lustig mit der Nationalmannschaft wegzufahren. Da sind viele interessante Leute dabei und das Schöne ist, dass alle eben dasselbe Hobby habe. Du kannst dich mit jedem über irgendwas unterhalten. Und teilweise sind Leute dabei, die kenne ich schon seit vier Jahren. Das ist toll, wenn man sich dann wiedersieht.
Eigentlich hast Du gerade Sommerferien, im kommenden Jahr möchtest Du Abitur machen. Wie bekommst Du das unter einen Hut?
Lückenkemper: Das ist manchmal nicht ganz so einfach. Ich habe halt Glück, dass das Conrad-von-Soest-Gymnasium mitspielt, was den Sport betrifft. Sprich, wenn ich einen Lehrgang oder einen Wettkampf habe, werde ich schon freigestellt von der Schule. Letztens war ich zum Beispiel vor den Weihnachtsferien zehn Tage zum Trainingslager auf Lanzarote, dafür habe ich dann frei bekommen. Das Einzige was halt ein bisschen blöd ist, ist, dass ich eben alles selbständig nacharbeiten muss, was ich in der Schule verpasse. Aber auch, wenn ich da bin, ist das manchmal etwas viel, gerade in der Klausurenphase. Wir haben lange Schule, es gibt viele Hausaufgaben, wir müssen für die Klausuren lernen und dadurch, dass ich jetzt öfter in Dortmund trainiere, ist das manchmal schon stressig. Da komme ich abends nach Hause, kippe todmüde ins Bett und muss aber eigentlich noch lernen.
Du trainierst jetzt seit etwa einem halben Jahr in Dortmund, wie hast Du dich da eingelebt?
Lückenkemper: Das ist eine richtig, richtig tolle Trainingsgruppe, da macht das Training wirklich immer Spaß. Es gab noch nicht ein Training, bei dem wir nicht gelacht haben und vor allem kann man halt gut trainieren. Im Grunde ist das eine gemischte Trainingsgruppe, wir haben Mehrkämpfer dabei, Kurzsprinter, Langsprinter, aber das passt einfach. Inzwischen trainiere ich viermal in der Woche in Dortmund und zweimal in Soest.
Ein großes Thema, das noch im Raum schwebt, ist Peking – die Weltmeisterschaft der Frauen.
Lückenkemper: Peking ist für mich ein Thema, mit dem ich mich jetzt zur EM nicht so wahnsinnig viel beschäftige. Ich will einfach erstmal eine vernünftige EM machen. Aber klar ist Peking immer im Hinterkopf dabei. Ich würde da schon gerne mit hinfliegen und es wäre schon wahnsinnig cool, wenn das klappen würde, weil ich da nochmal viele wichtige Erfahrungen sammeln könnte. So eine WM bei den Erwachsenen ist ja schon etwas anderes, als eine Jugend-WM.
Und nächstes Jahr sind Olympische Spiele.
Lückenkemper: Ja, meine 100-Meter-Zeit hätte vor drei Jahren für Olympia gereicht. Von daher stehen die Chancen nicht schlecht, aber auch dafür muss ich erstmal verletzungsfrei bleiben und weiter gut trainieren.
Quelle: Soester Anzeiger